23. Tag des Schwarzhügelfeldzuges:

Es regnet immer noch. Die Moral unter den Männern schwindet zusehends. Nicht nur das schlechte Wetter setzt uns zu, sondern vor allem diese verdammten Schweinsnasen. Wer immer im königlichen Hofe dachte, daß man die Orks mal eben aus den Schwarzhügel vertreiben könne, hat sich geirrt. Alles, was wir zu Gesicht bekommen, sind kleine Trupps aus Spähern oder Saboteuren. Die kleinen Gefechte, in die sie uns verstricken, verlangsamen unseren Vormarsch und lassen uns nicht ruhig schlafen. Keine Nacht vergeht, in der nicht mindestens einmal Alarm geschlagen wird. Ich schwöre, wenn ich den Häuptling der Schweinsnasen vor Gesicht habe, wird sein Tod langsam und schmerzhaft sein...

 

Orks sind bekannt dafür, keine besonders geordneten Kämpfe zu führen. In einer offenen Feldschlacht sind sie meistens unterlegen. Die orkische Gesellschaft beruht zu sehr auf persönlicher Stärke, als das geordnete Truppen zu Stande kämen. Wer stark genug ist, kann so handeln, wie er es will, und das Idealbild des Orks ist es, stärker als alle anderen zu sein. In einer Armeeeinheit aber ist jeder Krieger seinen Mitstreitern gleichgesetzt, und das könnte ein Ork nicht akzeptieren. Schon am ersten Abend würden Kämpfe über die Rangfolge im Trupp ausbrechen.

Nun sind Orks, speziell die orkischen Führer, aber nicht dumm, sondern nur undiszipliniert. Sie haben in schweren Verlusten über einen langen Zeitraum diese Schwäche der Orks erkannt. Ein typischer Orkclan verteidigt sich daher nicht in großem Maßstab, sondern schickt kleine Gruppen von Kriegern aus, die sich beweisen wollen, um die Angreifer zu schwächen und vom Standpunkt des Lagers abzulenken. Diese Einheiten kann man gewöhnlich in zwei Sorten einteilen, Gefechtstrupp und Locktrupp.

 

Gefechtstrupp

Ein Gefechtstrupp besteht gewöhnlich aus 4-24 Orks niederer bis mittlerer Stufe, je nach Größe und Macht des Clans. Bevorzugt werden hier Krieger, aber auch Diebe werden zu finden sein. In seltenen Fällen kommt auch einer der wertvollen Schamanen mit der Einheit mit, um von einem leicht versetzten und durch 2-4 Wachen geschützten Ort noch mehr Unheil zu stiften. Diese Zusammenstellung kann natürlich je nach Clan verschieden sein; so sind die Rothauer bekannt für ihre leisen Eingreiftrupps, die fast nur aus Dieben und Waldläufern bestehen; und die Blutkrallen bestehen fast immer nur aus Barbaren, die wild und direkt zuschlagen.
Die Aufgabe eines Gefechtstrupps ist es, die Gegner in kleinere Gefechte zu verstricken. So wird der Gegner geschwächt, entnervt und in eine falsche Richtung gelockt. Ein Gefechtstrupp greift fast nie aus der Richtung des Lagers an, aber trotzdem aus einer vorbestimmten groben Richtung.
Einem Gefechtstrupp anzugehören, ist eine große Möglichkeit für einen jungen Ork, denn direkter Kampf gegen üblicherweise überlegene Gegner kann großes Ansehen einbringen. Allerdings ist es schwer, solange noch andere Orks überleben könnten, zu fliehen oder sich zurückzuziehen, denn dies wäre ein Zeichen von Schwäche. Daher ist die Sterblichkeitsrate bei Gefechtstrupps sehr hoch.
Eine weitere Aufgabe eines Gefechtstrupps ist es, die Vorräte des Feindes zu schwächen. Dies geschieht, indem man entweder die Pferde der Eindringlinge frei lässt, oder besser tötet, indem man Wasservorräte oder Nahrung stiehlt – oder von einem Schamanen verderben lässt – oder auch indem man möglichst viele Kämpfer verwundet, so dass der Trupp langsamer vorankommt und sogar Heilvorräte nutzen muss.
Orks haben großen Respekt vor Magie, daher werden sie nach Möglichkeit keine Zauberer oder Priester attackieren, wenn diese erkennbar sind. Genauso werden sie mit Vorliebe „schwache Frauen“ angreifen.
Durch den chaotischen Lebensstil der Orks ist es ihnen ein Leichtes, nachts ausgeruhte Truppen zu schicken. Im Gegenzug wissen sie aber, das ihre häufigsten Gegner nachts schlafen, und man sie durch Nachtangriffe schwächen kann. Orks empfinden eine heimliche Freude daran, diese „Schwäche“ der starken Rassen gefunden zu haben, und sie neigen dazu, ihre Gegner vor und während eines Nachtkampfes zu verhöhnen, was ihre Position verraten könnte.

 

Locktrupp

Locktrupps bestehen aus 2-20 Orks niederer Stufe. Häufig sind darunter Krieger, aber oft auch Diebe oder andere Klassen zu finden. Schamanen befinden sich häufiger in einer solchen Einheit, als in einem Gefechtstrupp. Wenn möglich, wird man auch einen Druiden unter ihnen finden.

Die Aufgabe eines Locktrupps ist es, Späher der Feinde auf die falsche Fährte zu locken. Unter großen Umwegen gelangt der Trupp in die Nähe solcher Späher oder in den wahrscheinlichen Weg der Feinde. Von da an legen sie eine falsche Spur, die Spurenleser in die Irre und die Eindringlinge so fehlleiten soll. Nach Möglichkeit führt diese falsche Fährte in ein gefährliches Gebiet oder einen Hinterhalt, wie ein zusammenstürzender Felsspalt oder eine von Schwarzbären bewohnte Höhle.
Eine weitere Taktik dieser Einheit ist es, sich bei den Feinden sehen zu lassen und als dann scheinbar überrascht die Flucht anzutreten. Wichtig ist es in beiden Fällen, das diese Einheit als normaler Jagdtrupp erscheinen kann.

Diese Einheit ist bei Orks eher unbeliebt, weshalb hauptsächlich junge Krieger hier anzutreffen sind, und Druiden oder Schamanen, die so ihre seltener genutzten Talente zur Schau stellen können. Durch die kampflose Natur der Locktrupps ist diese Einheit zwar relativ sicher, aber auch langweilig für viele Orks. Außerdem würde eine häufige Einteilung in diese sichere Position wie Feigheit aussehen können und den Status eines Orks senken.
Besonders junge Orks sind allerdings auch übermütig und begehen bisweilen Fehler, wenn sie in Feindkontakt geraten. Eine bekannte Methode junger Orks ist es zum Beispiel, sich zu mehreren Seiten von Spähern aufzuhalten und dann von überall her Laute zu geben, wie raschelnde Zweige oder ein unterdrücktes Knurren. Während einzelne oder unerfahrene Späher so tatsächlich aus der Ruhe gebracht werden können, haben erfahrene Krieger schon oft einen oder mehrere dieser übermütigen Orks stellen können. Ein Locktrupp ist auch nicht für eine schwere Schlacht gerüstet, und so sind einzelne Orks, die hierbei gestellt werden, meistens ihren Angreifern unterlegen.
Wenn es aber einem solchen Trupp gelingt, einen oder alle der Späher auszuschalten, ist dies ein großes Lob an die Stärke der Mitglieder, und oft wird ein solcher Trupp ohne Veränderung als Gefechtstrupp eingesetzt.
 

Natürlich können die Orksichtungen oder falschen Spuren auch gegen den Hauptteil der Eindringlinge gewandt werden.

Eigentliche Kriegsführung

Orks gehen selten aus eigenem Antrieb in den Krieg. Nur eine Hungersnot durch Überbevölkerung oder ein besonders starker Anführer kann einen Stamm, der im großen und ganzen auf Faulheit beruht, zu einer Armee formen.
Aber selbst dann sind Orks ungeordnet und chaotisch. Ihre erste Taktik ist es, den Gegner mit schierer Masse zu überrumpeln und überrollen. Wenn dies nicht funktioniert, versuchen sie es erneut. Da bei einer drohenden Niederlage viele Orks fliehen, bleiben für einen zweiten Angriff meist genügend Krieger über. Wenn auch ein zweiter Angriff scheitert, ist es extrem unwahrscheinlich, das sie es ein weiteres mal versuchen, wenn sie nicht von mächtigeren Wesen zum Kampf gezwungen werden. Stattdessen werden die Orks nach Hause ziehen oder sich dort niederlassen, wo sie gerade sind.

In einem längeren Feldzug ist zudem die Gefahr von Deserteuren sehr groß, die sich abseits des alten Clans ein neues Zuhause schaffen wollen. Deshalb gibt es oft noch Jahre nach einem orkischen Feldzug lokale Probleme mit dieser Rasse.

Die eigentliche Schlachtaufstellung ist ebenfalls ungeordnet: Worgreiter stehen inmitten der Fußsoldaten, und Schamanen und Hexer wirken Zauber nach Gutdünken und mit eher begrenzter Nützlichkeit auf dem Schlachtfeld. So ist es keine Seltenheit, das gewirkte Zauber ebenso viele Orks wie Gegner vernichten. Außerdem wird Schamanen in Orkstämmen ein besonderer Status zuteil, den diese wenigen begabten Orks auch ausnutzen. Orkhexer sind daher nicht für ihre Tapferkeit bekannt und sind oft die ersten, die fliehen.

 

35. Tag des Schwarzhügelfeldzuges:

Jetzt reicht es! Diese Nacht gab es zwei Alarme, weil die Wachen verdächtige Geräusche nahe der Wasservorräte gehört hatten. In beiden Fällen konnten wir keinen der Orks antreffen; aber wir waren auch besonders vorsichtig, nachdem wir erst vorgestern einen Teil unseres Wassers verdorben aufgefunden hatten. Und heute Morgen waren drei Pferde tot, aufgespießt.
Wenn ich doch nur einem Ork im Kampf gegenüber stünde, aber sie sind nicht zu fassen. Mir ist es egal, was die Herren in der Hauptstadt sagen. Ich rufe jetzt die Truppen zusammen und dann ziehen wir ab. Sollen die Orks diese dreckigen Hügel doch haben!

 

Brandor