Lebensgeschichte von Gilthanasanthulus Silvitanerias

(Gilthanas Scharfauge)

Meine Geschichte beginnt in einem Wald nahe der Grenze zu Cormyr, der Arch Wood genannt wird. Dort bin ich im Oktober des Jahres 1247 von Etisania Silvitanerias auf die Welt gebracht worden, mein Vater hieß Taravius Silvitanerias. Er war der begabteste und berühmteste Bogenschütze unseres Dorfes, der auch weit über unsere Grenzen hinaus bekannt war. Jedes Jahr trafen sich die Elfenvölker des umliegenden Gebietes, um den besten Bogenschützen zu ermitteln, doch viel gab es nicht zu ermitteln, denn mein Vater schlug 25 Jahre lang alle, die es mit ihm aufnahmen. Sein Traum war es, daß ich eines Jahres auch einmal den Titel gewinnen würde und ihn selbst schlage, deshalb trainierte er mich seid meines 10. Lebensjahr täglich. Tag für Tag der gleiche Ablauf: Pfeil auf die Sehne, Bogen gehoben, Hand unter` s Kinn, Stille, abschießen. Die ersten Jahre machte ich sprunghafte Fortschritte, später wurden sie kontinuierlich. Meine Bewegungsabläufe vereinigten sich, sie wurden zu einem Fluß, so wie schon der große, legendäre Drizzt Do´Urden mit seinen Klingen einen Tanz vollführte, wurden meine Bewegungen mit dem Bogen zu einem hypnotischen Tanz, dem sich kaum einer entziehen konnte. Selbst mein Vater war über mein Talent mit dem Bogen überrascht, denn so eine Perfektheit hatte er noch nie gesehen.

Eines Tages, ich hatte mein 50. Lebensjahr erreicht, war es soweit, in einem Trainingswettkampf mit meinem Vater, schlug ich ihn, da der alljährliche Wettstreit anstand, zeigte mir dieser Sieg, daß ich bereit war, in die Fußstapfen meines Vaters zu treten. Doch es sollte nie dazu kommen!

Am Tag vor dem Wettkampf hörten wir Hufgetrappel, es schien sich um eine Menge schwerer Pferde zu handeln, die den Boden aufrissen und Grassoden durch die Luft schleuderten. Tatsächlich waren es etwa 100 schwer gepanzerte Ritter, mit Unterstützung einiger Zauberkundigen, die mit angelegten Lanzen auf unser Dorf zu preschten und auf diesem Weg schon zwei Kinder niederritten. Wir waren niemals auf Krieg eingestellt, obwohl wir schon davon gehört hatten, daß der König angefangen hatte, große Teile des Waldes zu roden, da er das Holz für Kriegsgerät und Schiffe benötigte. Doch wir glaubten nicht daran, daß es uns , die niemandem irgendetwas zu leide getan hatten, betreffen könnte. Wir wurden eines Besseren belehrt! Es brach Panik aus, alle liefen durcheinander. Frauengeschrei, Rauch, Stahl auf Stahl, Feuer, Sterbende. Ein schrecklicher Anblick bot sich mir, ich starrte solange, bis die Wut mich übermannte, sofort schloß ich mich den langsam formierten Verteidigern an. Mein Vater hatte schon einige Ritter erlegt und auch die anderen hielten sich wacker. Ich drehte mich um, meine Mutter! Zwei Ritter reiten mit erhobenem Schwert auf sie zu, ihr Kopf rollt. Ich fühle nur Haß!

Sie preschten davon, doch ich wollte sie nicht wegkommen lassen, es war meine Mutter gewesen. Das nächste Reitpferd war meines und ich gab dem Pferd, noch ehe ich richtig saß, die Sporen und fegte hinter ihnen her. Ich schoß, einmal, zweimal, dreimal, doch die Pfeile verliefen im Wald, zu sehr waren meine Augen von den Tränen geblendet. Erst als das Feuer der Wut, das in mir loderte, die Tränen getrocknet hatte, wurden meine Schüsse besser. Wir waren schon weit geritten und ich hörte die Kampfgeräusche nicht mehr. Endlich traf ein Schuß das Schlachtroß eines Verfolgten, es überschlug sich und begrub den Reiter unter sich, als ich das Genick brechen hörte, fuhr ein kleines Lächeln über mein Gesicht, doch ich wurde nicht langsamer, sondern trieb mein Pferd zu immer größerer Geschwindigkeit an. Der zweite Ritter, der wohl nicht so enden wollte wie sein Kamerad, brachte sein Pferd auf einer Lichtung zum Stehen, stieg ab und zog sein Schwert, doch er rechnete nicht mit der Wut eines zutiefst getroffenen Elfen. Ich ritt direkt auf ihn zu, zog mein Pferd kurz vor ihm nach links und stürzte mich auf ihn, so daß ich ihn durch meinen Schwung umriß und noch bevor er wußte, was mit ihm geschah, hatte ich seine Kehle mit meinem Dolch durchstoßen. Ein Gefühl der Genugtuung und der Befriedigung durchzuckte mich, es hielt aber nicht lange an, denn es wurde von Trauer über meine Mutter und Scham über meinen Blutrausch abgelöst, ich sackte zusammen.

Doch auch diese Gefühle wichen bald denen  der Angst um meine anderen Bekannten und natürlich meinen Vater. Ich wischte den Dolch an dem Gewand des Ritters ab, nahm meine Pfeile und schwang mich wieder in den Sattel. Erst jetzt bemerkte ich, wie weit ich wirklich von meinem Dorf entfernt war, ich fand die Orientierung und brach auf. Ich ritt eine ganze Weile im vollen Galopp, als ich näher an das Dorf kam, sah ich schon die dicken, schwarzen Rauchwolken, die darüber hingen. Ich spornte mein Pferd noch einmal an, nahm den Bogen von der Schulter und machte mich schußbereit. Doch es erwarteten mich keine Feinde, aber es waren auch keine Freunde zu sehen! Das Bild, welches sich mir bot, versetzte mich in Entsetzen. Alle Häuser brannten, überall lagen Leichen, Ritter, Elfen, Frauen und Kinder. Sie waren alle tot!

Langsam ging ich zu unserem Haus, zu dem was davon noch über war, und dort fand ich ihn. Alle Hoffnungen, er könnte es geschafft haben zu entkommen, so unsinnig sie auch waren, denn er hätte nie sein Dorf im Stich gelassen, waren auf einmal zerplatzt. Seine Brust war versengt vom Einschlag fünf kleiner Geschosse, doch ich sah keine Pfeil- oder Bolzenspitzen  in ihm. Da kam mir die Erkenntnis, daß ein verfluchter Magier ihn umgebracht hatte! Dort lag nun mein Vater, um ihn brannte das Feuer, ich zerrte ihn heraus und auch seinen Bogen, diesen wundervollen Bogen. Ich zog ihn bis in die Dorfmitte, kniete mich neben ihn und fing leise an zu weinen. Mein Weinen wurde lauter und ich verfluchte alle Ritter, Könige und vor allen anderen schrie ich meine Wut gegen alle Magier hinaus. So saß ich den Rest des Tages, weinte so lange, bis ich schließlich einschlief. Es war kein erholsamer Schlaf, er war geprägt von Bildern meiner Familie und glücklicheren Zeiten und als ich erwachte, fühlte ich mich wie gerädert. Es war Nacht geworden, die Feuer brannten nicht mehr, doch überall stiegen Rauchfäden gen Himmel. Erst jetzt merkte ich meine eigenen Wunden, die das Feuer verursacht hatte. Meine Arme und Beine waren verbrannt und sie schmerzten stark. Ich sammelte Kräuter, die eine heilende Wirkung auf Branntwunden entfallten und legte Verbände an. Die Angreifer waren sich wohl sicher, daß niemand überlebt hatte, denn sie waren nicht zurückgekehrt. So hatte ich Zeit, an den nächsten Tagen Scheiterhaufen für die Getöteten herzurichten und ich verbrannte sie so feierlich es mir möglich war. Doch danach stellte sich die Frage, was ich nun zu tun hätte, denn alle meine Verwandten waren tot und auch sonst hatte ich keine Freunde mehr, die noch lebten. So sammelte ich alles was von Wert war ein, denn es gab niemanden mehr, der es hätte benutzen können und die Ritter hatten nichts davon mitgenommen, der Angriff diente ausschließlich der Vernichtung meines Volkes. Ich fand einige Münzen, Edelsteine und wertvolle Kelche, mit denen ich mir im nächsten Dorf einen Wagen und zwei Pferde kaufte. Ich wollte nicht länger dort bleiben, wo alle Menschen, die für mich von Bedeutung waren, gestorben sind. So zog ich los und machte mein größtes Talent zu meinem Beruf: das Bogenschießen.

Ich zog also von Dorf zu Dorf und von Stadt zu Stadt und zeigte meine Künste mit dem Bogen, es ließ sich gut davon leben und nach und nach kaufte ich eine Ziege, eine Kuh und zwei Hunde, die ich auch in meine Darbietung einband, indem sie Dinge apportierten. So wuchs meine „Familie“ immer weiter, doch einsam fühlte ich mich trotzdem noch. Dies änderte sich an einem regnerischen Sommertag, als ich in einem kleinen Dorf gastierte, ich war schon 15 Jahre unterwegs, mein Lebensalter betrug 65 Jahre, was für Elfen gerade mal jugendlich ist, so daß es für mich normal geworden war, das Publikum in meine Darbietung mit einzubeziehen. Dies tat ich auch diesmal, ich bat eine junge menschliche Frau, die sehr schön war, zu mir. Sie sollte zwei Äpfel mit ausgestreckten Armen halten, die ich dann mit zwei schnellen Schüssen durchbohren wollte. Also hob ich meinen Bogen und schoß: linker Apfel durchbohrt, rechter ... . Ein Schrei war zu hören und die junge Frau griff sich an das Handgelenk, aus dem schon Blut zu tropfen begann. Ich brach die Vorstellung ab und eilte zu dem Mädchen, zum Glück handelte es sich nur um einen Streifschuß. Nachdem ich sie auf den Wagen geführt hatte, verband ich ihre Hand und fragte, wie ich es wieder gutmachen könnte? Sie sagte, daß ich sie mitnehmen solle, um sie als Assistentin auszubilden. Ich erfuhr von ihr, daß ihre Eltern umgekommen waren und sie seitdem bei ihrem Onkel, den sie haßte, leben mußte, für den sie den Haushalt zu führen hatte. Da sie, ihr Name war Tika, mir sympathisch war und ich mich aufgrund ihrer Geschichte, die meiner so glich, zu ihr hingezogen fühlte, entschloß ich mich, sie mitzunehmen. Wir zogen noch am selben Abend ab, ohne daß ihr Onkel etwas davon mitbekam, doch ich dachte mir, daß er darüber nicht sonderlich erfreut war. Die unbekannte Gesellschaft tat mir gut und ich lebte richtig auf. Tika war so eine frohe und liebevolle Frau, daß ich mich ihr auch langsam öffnete und meine Geschichte erzählte. Die Tage wurden zu Wochen, die Wochen zu Monaten und unsere Freundschaft zu Liebe. Wir zogen durch die Lande und die Jahre verstrichen wie im Fluge, nach sechs Jahren wurde Tika endlich schwanger und sie gebar unseren ersten Sohn, Totja. In der nächsten Zeit gebar Tika noch einen Sohn, Tartjus und eine Tochter, Seftinja. Wir waren schon insgesamt 18 Jahre unterwegs und wir sparten Geld, um uns irgendwann zur Ruhe zu setzen können. Doch dazu sollte es nicht kommen, zum zweiten mal wurde meine Welt zerstört, doch diesmal waren keine Menschen dafür verantwortlich, sondern die gräßlichsten Monster, die die Erde je ausgespuckt hat: Oger!

Wir waren wieder einmal in hügeligem Gelände unterwegs, als wir in der Entfernung einige sehr große humanoide Wesen sahen, die auf uns zukamen. Da wir keinen Ärger haben wollten wichen wir in großem Bogen nach Norden aus und schlugen einige Meilen weiter unser Lager auf. Die Kochstelle wurde errichtet, die Kinder spielten und ich übte mit dem Bogen. Nach dem Abendessen legten wir uns schlafen und ließen zur Abschreckung von wilden Tieren das Feuer brennen. Aber keine wilden Tiere, sondern Oger rissen uns aus den Träumen, ich erwachte als sie sich näherten, da es ihnen nicht möglich war, leise zu sein. Sofort weckte ich meine Frau und die Kinder, griff meinen Bogen und macht mich auf einen Angriff bereit, doch dieser Angriff erfolgte nicht in der erwarteten Weise, denn die Oger warfen zuerst große Baumstämme in unser Lager, die unseren Wagen, auf dem die Kinder schliefen, trafen. Der Wagen brach mit lautem Getöse zusammen und ich konnte mir zu gut vorstellen, was mit meinen Kindern passiert war. Meine Frau auch, denn sie fiel neben mir schreiend zu Boden. Meine Reaktion war jedoch die gleiche, die ich damals, als meine Mutter getötet worden war, auch zeigte: Wut! Mein Bogen begann zu summen und die Oger begannen zu schreien, doch die schmerzenden Pfeile versetzten sie nur noch mehr in Wut und sie begannen einen Sturmangriff. Dieser enormen Kraft und Größe hatte ich nichts entgegenzusetzen, noch dazu kam, daß es etwa 8 Stück waren. So blieb mir nur das eine, zu kämpfen bis ich starb. Ich spürte einen dumpfen Schlag auf den Kopf, der mich zu Boden warf. Es wurde alles schwarz und still. Als ich erwachte, warum ich überhaupt noch lebe weiß ich bis heute nicht, war meine Frau nicht mehr da, weder ihre Leiche noch irgendetwas anderes von ihr war zu sehen, aber meine Kinder lagen noch im Wagen, doch sie waren alle drei tot, aber trotz dieser Erkenntnis konnte ich nicht weinen, irgendwas verstopfte meine Tränen, ich wollte nur Rache nehmen und meine Frau finden, ob tot oder lebendig. Ich konnte ein paar wenige Trockenfrüchte finden, steckte sie ein und machte mich zum zweitenmal allein auf den Weg, doch diesmal wollte ich nicht friedlich bleiben. Ich schwor mir, nie wieder ein „normales“ Leben zu führen, von diesem Augenblick an sollte mein Leben dem Krieg gegen Oger und allen ihren bösen Kumpanen gewidmet sein. Anfangs hatte ich noch die Hoffnung meine Frau wiederzufinden, doch diese verflog, als ich die Oger, die uns überfallen hatten nicht weit aufstöberte. Sie lagerten an einem kleinen See, der in einer Lichtung lag. Von den Bäumen ringsum konnte man einen guten Hinterhalt planen und so versteckte mich in den Bäumen und erledigte einen Oger nach dem anderen, bis keiner mehr von ihnen am Leben war, danach durchsuchte ich das Lager fand aber nichts interessantes bis auf die Knochen eines Menschen, die wahrscheinlich meiner Frau gehörten, jetzt konnte ich endlich weinen und die Tränen flossen wie Sturzbäche an meinen Wangen hinunter. Nach diesem Tränenbad sammelte ich meine Sachen zusammen und machte mich auf die nächsten Oger oder andere bösartige Wesen zu finden, an denen ich meine unbändige Wut auslassen konnte. Seit diesem Tag habe ich nicht wieder geweint, mein Herz ist verschlossen, von der Wut zerfressen, Mitleid mit meinen Feinden kenne ich nicht und man hat mich selten lachen hören seit diesem einen Tag.

Ich zog also durch die Lande, ließ mich anheuern, wenn jemand Probleme mit irgendwelchen Kreaturen hatte und sammelte Erfahrung im Aufspüren und erlegen von Ogern, Orks, Goblins und andern Rassen.

Wenn ich keinen Auftrag hatte, machte ich mich selbst auf, um zu jagen.

So verbrachte ich die nächsten 30 Jahre bis heute, mein Lebensalter ist heute, wenn ich richtig gezählt habe, denn Zeit spielte für mich nie eine große Bedeutung, 113 Jahre. Und wenn ich mein bisheriges Leben so anschaue, dann kann ich sagen, daß es mir einen Haß auf alle bösen Kreaturen, speziell auf Oger, gebracht hat, weiterhin hege ich eine Abneigung gegen jegliche Magier, nicht jedoch gegen Magie selbst, denn ich weiß wieviel Gutes Magie zustande bringen kann. Meinen Selbsthaß, den ich mit mir herumtrage, übertrage ich auf die Bösen dieser Welt und ich hoffe, daß ich irgendwann mit mir ins Reine kommen kann, doch bis zu diesem Tage werden noch viele Monster getötet, viele Schlachten geschlagen und einige Abenteuer überstanden werden müssen.